Version 1.2, 18.05.
Aus mehreren Gründen ist es wünschenswert, dass eine Schulung nicht lange dauert, wobei es nicht nur um den zeitlichen Aspekt geht, sondern auch um die Menge an Information, mit der die Teilnehmer konfrontiert werden, und deren Nützlichkeit. Zwischendurch mal warten zu müssen und dadurch die eigene Anwesenheit einfach nur zu verlängern erscheint weniger schlimm als mit so viel Information bombardiert zu werden (auch wenn es nicht darum geht, sie sich zu merken), dass die Aufnahmekapazität erreicht (oder überschritten) wird. Wichtig ist in jedem Fall, wie viele Teilnehmer man mit einer gegebenen Menge Dozenten (und Zeit) betreuen kann.
Aus diesem Grund verzichte ich in meinen Schulungen schon lange auf einen Vortrag und die systematische Vermittlung von Hintergrundwissen, sondern konzentriere mich auf den praktischen Teil – natürlich rutschen einem beim Basteln immer mal wieder Anmerkungen heraus, außerdem stellen die Teilnehmer durchaus auch Fragen. Aber insgesamt sieht der Verlauf so aus, dass ich teils nacheinander, teils parallel alle Teilnehmer betreue und mit allen dasselbe mache. Wenn ich – wie zumeist – der einzige Dozent in meinen Schulungen bin, geht das gar nicht anders. Aber wenn mal weitere Helfer da sind, dann haben wir bisher quasi dasselbe gemacht, nur dass eben jeder weniger Leute zu betreuen hatte.
Diese Vorgehensweise erscheint mir inzwischen ineffizient. Folgende Effekte tragen dazu bei:
Erklärungen
Während der Installation und Konfiguration der Software erklären wir, was wir tun, und auch ein bisschen, warum. Das ist nur natürlich, denn es wäre eine komische Situation, voll konzentriert, aber schweigsam neben dem Rechnerbesitzer zu sitzen und einfach nur möglichst schnell die Arbeitsschritte abzuarbeiten.
Vor allem aber ist es unnötig bis störend, die Konfiguration des Systems zu verfolgen (mal abgesehen von der Kontrolle des Dozenten). Wer später anderen dabei helfen will, die Softare einzurichten, sollte das natürlich (mehrfach) gesehen haben, aber auch diese Leute müssen zuerst den Umgang mit der Software lernen. Ein bisschen was über die Installation und ein bisschen was über die Bedienung zu wissen ist keine produktive Situation. Wer die Bedienung beherrscht, wird an der Einrichtung nicht scheitern.
Eingaben der Teilnehmer
An einigen Stellen sollen die Teilnehmer Daten eingeben. Etwa ihren Namen, ihre E-Mail-Adresse und ihr Mailpasswort, wenn Thunderbird noch nicht eingerichtet ist; bei der Schlüsselerzeugung die Passphrase; beim Anlegen eines XMPP-Accounts müssen sie entweder ihre E-Mail-Zugangsdaten eingeben oder (was es nicht beschleunigt) sich neue Daten ausdenken.
Das dauert immer reichlich lange; ein Vielfaches der Zeit, die jemand bräuchte, der mit dem Prozess vertraut ist und die einzugebenden Daten kennt.
Einzelerklärung der Bedienung
Es hat sich zwar als wenig sinnvoll erwiesen, die Einrichtung der Software mit allen gleichzeitig (per Beamer-Vorführung) zu machen, weil einerseits unterschiedlich viel installiert werden muss, andererseits unterschiedliche Software (Windows, Linux, MacOS) gebraucht wird. Vor allem aber, weil bei jedem Schritt irgendwer Probleme hat, man also entweder zugig voranschreitet und bei jedem Schritt irgendwen verliert oder auf den letzten wartet, was ein Effizienzalptraum ist.
Es spricht aber nichts dagegen, die Bedienung der fertigen Software allen gleichzeitig vorzuführen – ohne dass sie das gleich am eigenen Rechner nachvollziehen. Auch wenn jemand Apple Mail verwendet (das man auch kurz zeigen könnte), wäre die Enigmail-Vorführung für ihn sehr hilfreich.
Dieser Teil, die Erklärung (und später das Üben) der Nutzung des fertigen Systems sollte der Hauptinhalt (zeitlich und von der Aufmerksamkeit der Teilnehmer) einer Schulung sein.
Wenn mindestens zwei Dozenten da sind, kann man folgendes gleichzeitig machen:
Einrichtung ohne die Teilnehmer
Ein Dozent betreut alleine alle (oder, bei mehr als zwei Dozenten) einen Teil der Rechner: Er installiert die nötige Software und richtet sie ein. Das geht sehr schnell, und die Teilnehmer werden davon nicht belastet.
Die nötigen Daten der Teilnehmer werden (bis auf die Passwörter) vorher aufgeschrieben (entsprechendes Formular als ODT und als PDF). Wenn alle Rechner auf dem Stand sind, dass ein Passwort eingegeben werden muss, kommen alle Teilnehmer kurz an ihren Rechner und machen das. Bei der Registrierung von XMPP-Accounts und bei der Schlüsselerzeugung wird ein Standardpasswort verwendet, das die Teilnehmer hinterher ändern.
Alternativ kann man die Installation der Software (die nicht stressig ist) und die Registrierung sowie Konfiguration des eigenen XMPP-Accounts noch gemeinsam mit den Teilnehmern machen und nur die weitere Konfiguration vom Dozenten machen lassen. Das hat den Vorteil, dass der Dozent nicht mit Administratorrechten auf dem Rechner unterwegs sein muss (ein eher theoretischer Vorteil, da fast alle Windows-Nutzer mit ihrem normalen Account Administratorrechte haben). Außerdem kriegen die Leute die Konfiguration des eigenen XMPP-Accounts meist noch schnell hin; der Dozent muss dann auch nicht das XMPP-Passwort kennen.
Nach Möglichkeit sollten die Räumlichkeiten so genutzt werden, dass die Teilnehmer während des Vortrags sehen können, was der Einrichtungsdozent macht (Bildschirme nach innen). Die Teilnehmer sollten für den Vortragsteil den Sitzplatz wechseln, weil der Einrichtungsdozent anderenfalls nicht gut an die Rechner rankommt; außerdem soll durch die Konfiguration niemand vom Vortrag abgelenkt werden.
Vorführung für die Teilnehmer
Nachdem die Teilnehmer ihre Daten aufgeschrieben haben, nehmen sie alle zusammen an einer Vorführung des zweiten Dozenten teil, der ihnen das System zeigt, wie es nach der Installation aussieht. Dort werden die Standardaktionen mehrfach vorgeführt (Liste für den Dozenten) und Fragen beantwortet. Das dauert so lange, bis die (ersten) Rechner fertig sind.
Nach der Vorführung üben die Teilnehmer an ihrem fertig eingerichteten Rechner, was sie zuvor in der Vorführung gelernt haben.
Zeitersparnis
Man ist viel schneller fertig bzw. kann mit derselben Anzahl Dozenten mehr Teilnehmer betreuen.
Aufmerksamkeitsfokussierung
"Unnütze" Information wird von den Teilnehmern ferngehalten und kann sie dementsprechend nicht mehr verwirren. Die ganze Veranstaltung erscheint den Teilnehmern viel einfacher, weil sie weniger verstehen und sich weniger merken müssen und außerdem das, was sie lernen müssen, öfter üben.
Qualifikation der Dozenten
Sowohl das Vorführen der Standardaktionen als auch die Einrichtung der Software sind nicht schwer. Man braucht dafür keine besonders sachkundigen Leute. Es reicht also aus, dass man einen wirklich kompetenten Dozenten hat – für die nicht trivialen Fragen.
Schlüsselaustausch
Der Einrichtungsdozent kann nebenbei alle Zertifikate per E-Mail an sich oder den anderen Dozenten schicken, so dass die Teilnehmer alle Zertifikate in einer Mail gesammelt bekommen können. Das spart Zeit und erleichtert Kontakte untereinander. Das Importieren vom Keyserver kann mit den Zertifikaten der Dozenten geübt werden.
Keysigning
Der Einrichtungsdozent kann nebenbei (z.B. im Chatraum) eine Liste der Fingerprints erstellen (sowohl OTR als auch OpenPGP). Wenn die vollständig ist, wird daraus eine (z.B.) HTML-Datei erstellt und – unsigniert – an die Teilnehmer gemailt (keine Textdatei, um Probleme mit den unterschiedlichen Zeilenumbruchscodierungen zu vermeiden). Dann lassen sich die Dozenten und die Teilnehmer den Hashwert der Datei anzeigen (das scheint im GUI nicht möglich zu sein):
gpg --print-md sha1 datei.html
Einer liest den Wert vor, alle anderen vergleichen ihren. Dann prüfen die Teilnehmer ihren eigenen Wert und sagen in die Runde, ob er stimmt oder nicht. Auf diese Weise können die Teilnehmer die Schlüssel der anderen verifizieren, ohne sich alle Fingerprints einzeln vorlesen zu lassen.
Qualitätssicherung
Es wird einfacher sicherzustellen, dass die Inhalte für alle Teilnehmer gleich sind (man nicht bei irgendwem etwas vergisst).
Werbung
Von großer Bedeutung ist das bei der "Crypto-Werbung" in der Mail-Textsignatur. Aus zeitlichen Gründen untergleibt das derzeit bei vielen, was ein erheblicher Verlust ist.
Diejenigen (wenigen), die in der Lage sein möchten, anderen die Software einzurichten, kommen einfach zu einem zweiten Termin und schauen dem Installationsdozenten zu. Dann sehen die denselben Vorgang gleich mehrfach, was das Gelernte festigen sollte.
Vertrauenswürdigkeit der Dozenten
Es hat natürlich einen schaalen Beigeschmack – speziell im Zusammenhang mit Sicherheitssoftware –, andere Leute am eigenen Rechner herumbasteln zu lassen. Allerdings sind die wenigsten Teilnehmer derart auf ein hohes Maß an Sicherheit aus, dass dies störend wäre. Sie installieren ja auch unsignierte Software von USB-Sticks oder aus dem Internet...
Ob das praktikabel ist, mag aber auch erheblich von der jeweiligen Person abhängen. Außerdem ist es natürlich möglich, dass irgendwer den Einrichtungsdozenten "kontrolliert". In einer Schulungsserie können das ganz produktiv diejenigen Teilnehmer früherer Termine sein, die anderen bei der Einrichtung helfen wollen. Dadurch können sie an einem Termin zehnmal zuschauen.
zweiter Dozent erforderlich
Man hat nicht immer einen zweiten Dozenten zur Verfügung, und für kleine Teilnehmerzahlen wäre das auch Verschwendung.
Alternativ kann man den Teilnehmern während der Einrichtung (auf Papier) etwas zum Lesen geben, etwa eine Beschreibung der Abläufe, die ihnen später gezeigt werden.
Teilnehmer früherer Termine, die dieses Format für eigene Schulungen nutzen möchten, können solche Termine zum Üben nutzen. So könnten etwa zwei unerfahrene Dozenten gemeinsam die Vorführung machen. Das mag es erleichtern, einen zweiten Dozenten zu finden.
Version 1.2, 18.05.2015 (diese Version, Permanentlink)